Der Reschensee in Graun im Vinschgau
Der Reschensee im Südtiroler Vinschgau ist der wohl bekannteste See dieser Bezirksgemeinschaft, wenn nicht sogar von ganz Südtirol. Bekannt ist der Reschensee vor allem durch den Kirchturm, der aus dem See herausragt.
Auch wenn der See mit dem herausragenden Kirchturm ein Bild abgibt, welches auf unzähligen Werbefotos und Postkarten für einen Urlaub in dieser Region wirbt, blickt der See und die umliegende Region auf eine schwere Geschichte zurück. Alleine schon die Tatsache, dass mitten im See eine Kirche steht, ist der Beweis dafür, dass es sich beim Reschensee um einen künstlich angelegten und daher um keinen natürlichen See handelt.
Der Reschensee – auf Italienisch: Lago di Resia – liegt auf einer Höhe von 1.520 Metern über dem Meeresspiegel und hat eine Abmessung von sechs Kilometern Länge und einen Kilometer Breite. Die Wasseroberfläche umfasst eine Fläche von 677 Hektar. Das Wasserfassungsvolumen des Reschensees beträgt 120 Millionen Kubikmeter.
Das Stauseeprojekt
Beim Reschensee handelt es sich um ein umgesetztes Stauseeprojekt, welches bereits im österreichischen Kaiserreich seinen Ursprung hatte. Sinn und Zweck des Stauseeprojektes war die Stromerzeugung. Die italienische Regierung hatte die Idee der Stauseeprojektes im Jahr 1920 übernommen. Aus der Bevölkerung selbst kam so gut wie kein Widerstand gegen das Stauseeprojekt, da zur damaligen Zeit die Planungen nur davon ausgingen, dass der Wasserspiegel um fünf Meter angehoben werden sollte. Mit einer Anhebung des Wasserspiegels in diesem Umfang hätten sich keine Auswirkungen auf die Orte Graun und Reschen ergeben. Doch es sollte anders kommen!
Die nationale Energiegesellschaft ließ das Stauseeprojekt überarbeiten. Die neuen Planungen sahen vor, dass der Wasserspiegel um 22 Meter angehoben wird. Zunächst hatte die Bevölkerung Hoffnung, dass aufgrund der wieder vorherrschenden demokratischen Verhältnisse nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Stauseeprojekt zu den Akten gelegt wird. Dem war jedoch nicht so – die Bevölkerung wurde am 20.03.1947 darüber informiert, dass die Arbeiten des Stauseeprojektes begonnen und bis zum Jahr 1949 zum Abschluss gebracht werden sollen. Sämtliche Hilferufe der Bevölkerung blieben ohne Erfolg. Sogar der Papst wurde in das Thema involviert, konnte jedoch auch das Stauseeprojekt nicht verhindern.
Die Umsetzung des Stauseeprojektes hatte zur Folge, dass 163 Häuser gesprengt werden mussten und 523 Hektar Kulturboden geflutet wurden. Die bis dahin vorhandenen Seen, der Reschensee und der Mittersee (Grauner See), gingen im „neuen“ Reschensee auf; südlich des Reschensees liegt noch der Haidersee. Die Bevölkerung wurde aus Graun evakuiert, auch ein Teil des Dorfes Reschen musste den Fluten des Stausees Platz machen. Es erfolgte eine Zwangsenteignung der Bevölkerung, die unter dem Verweis auf das „nationale Interesse zur Stärkung der nationalen Industrie“ erfolgte. Die Enteigneten erhielten zudem kein Recht auf Realersatz. Die Sprengung der Häuser und die Flutung des Gebietes erfolgten schließlich im Sommer 1950.
Der Reschensee erhält sein Wasser von der Etsch, dem Karlinbach und dem Rojenbach.
Der Kirchturm und Alt-Graun
Der Kirchturm wurde aus Gründen des Denkmalschutzes nicht gesprengt. Und daher ragt aus dem Reschensee noch heute der Kirchturm – ein romanischer Kirchturm – heraus und gibt ein unverwechselbares Bild ab. Der Kirchturm wurde im Jahr 1357 geweiht und gehörte zu der Pfarrkirche „Sankt Katharina“. Im Jahr 2009 wurde der Kirchturm umfangreich saniert, nachdem dieser etwa 60 Jahre im Wasser stand und Schäden davon getragen hatte. Für die Sanierung wurde der Kirchturm komplett trocken gelegt (s. auch: Restaurierung des Kirchturms im Reschensee beendet).
Direkt am Reschensee liegen heute die Dörfer Graun (oberhalb des gefluteten Alt-Graun), Reschen und Sankt Valentin auf der Haide.